Ich hörte das Gähnen Acilinos und spürte schließlich, wie sein Kopf nun schwerer auf meiner Schulter lag. Dabei hatte er vor wenigen Minuten noch so aufgeweckt gewirkt, aber anscheinend hatte auch seine Energie Grenzen. Interessiert lauschte ich den weiteren Erklärungen Aidens und ich glaubte, dass ich was von Albinismus schon mal gehört hatte. Bei näherem Nachdenken machte das Ganze sogar nun etwas Sinn, aber kein Wunder, dass ich nicht sofort dran gedacht hatte. Ich war ja noch nie einem begegnet. "Hm, hört sich verständlich an. Und sowas ist wirklich angeboren?" Tja, ich hatte davon zwar mal gehört, aber mein Wissen über Albinismus hielt sich wirklich in Grenzen. Draußen auf dem Gelände ging ich den Weg entlang, welchen wir zuvor mit der Kutsche gefahren waren, und hielt Ausschau nach der Abzweigung, von der Berry gesprochen hatte. Als Aiden meinte, dass seine Haut nicht braun werden würde, lag mir schon die nächste Frage auf der Zunge und hatte auch schon meinen Mund geöffnet, um zu fragen, aber schloss ihn dann wieder, als mir etwas klar wurde. Und zwar, dass Aiden die Fragen womöglich unangenehm wurden. Denn ich wusste selbst nur zu gut, wie unangenehm Fragen oder sonstiges sein konnten, die Äußerlichkeiten betrafen. "Dafür also dann der Schirm. Verstehe. Mal 'ne andere Frage: Du kommst aus Irland, kann das sein?"

Schlossvorhof


Mir schien, ich war doch interessanter als ich erwartet hätte. Oder besser gesagt mein Gendefekt. "Natürlich," Antwortete ich auf die Frage, ob so etwas wirklich angeboren war. Hatte Euan noch nie diese weißen Kaninchen mit roten Augen gesehen? Die waren doch eigentlich das beste Beispiel für Albinismus.
In der Ferne war erneut ein Drache zu sehen, zu weit weg, um wirklich Details auszumachen. Er war rot und weiß, wenn ich das richtig sah. Und irgendwie kam er mir bekannt vor. Das musste der Riese sein, der im Dorf gewesen war. Das war wirklich ein beeindruckender Koloss.
Langsam schienen meine Begleiter wohl verstanden zu haben, was ein Albino war und darüber war ich sogar ziemlich froh. Es war immer noch merkwürdig, das extra erklären zu müssen.
Doch bei der nachfolgenden Frage musste ich doch ein wenig schmunzeln. Es war nicht so, als ob ich sie erwartet hätte, aber mir war klar, weswegen Euan das vermutete.
"Der Dialekt hat es dir verraten, oder?" Stellte ich die Gegenfrage. Es war so ziemlich eindeutig, von woher ich stammte, wenn man aufmerksam war. Alleine schon aufgrund des Namens. Aber in dem Fall war es dann wohl doch eher die Sprache, die mich so gesehen verraten hatte.

Ich war dankbar, dass Aiden uns so offen erklärt hatte, was genau es mit Albinism us auf sich hatte und nickte langsam, als er nach Euans Frage noch einmal bestätigte, dass sowas wirklich angeboren war. Acilino war mittlerweile wohl eingeschlafen, und mein Blick hing an einem roten Drachen, der noch in der Ferne zu sehen war. Kurz sah ich mich um, ob Daniel auch noch bei uns war, was auch der Fall war. Gemeinsam gingen wir den Weg entlang und ich hielt ebenso die Augen offen.
Euan wollte nun von Aiden wissen, ob er aus Irland stammte. Wenn ich so darüber nachdachte, war sein Nachname ein kleines Detail, dass es nahe legte. Aber es hätte auch sein können, dass er ihn aus anderen Gründen trug, ich hatte diesen ja bei der Vorstellung bei Ms. Morningstar mitbekommen. Aber auch sein Dialekt, wenn man genauer zuhörte, war dieser durchaus auffällig. Aiden gab indirekt eine Antwort, als er zurück fragte, ob der Dialekt ihn verraten habe. "Sag, wie ist es in Irland so?" , fragte ich dann ohne nachzudenken. Immerhin war theoretisches Wissen und es von jemand zu hören, der wirklich von dort kam, ein meilenweiter Unterschied.

Bereits zum zweiten Mal war heute ein riesiger roter Drache zu sehen. Und ich war mir ziemlich sicher, dass es sogar der war, den wir bereits vom Dorf aus hatten sehen können. Ob hier noch mehr Drachen herumliefen? Wundern würde es mich nicht wirklich. Bei Aidens Gegenfrage schlich sich ein kleines Grinsen auf meine Lippen. "Jap", antwortete ich nur, denn wenn es einen Dialekt gab, den ich erkannte, dann war er es der irische. Immerhin hatte ich ihn lange genug von meiner Mutter gehört und sprach ihn selbst ja auch ein wenig. Wobei der japanische Akzent diesen vermutlich zu stark übertünchte, sodass er für Leute, die diesen Dialekt nicht sprachen, wohl nicht gleich zu hören war. "Dein Nachname ist zwar auch ein kleiner Hinweis gewesen, aber am Ende ist es der Dialekt gewesen." Namen mussten nichts aussagen, wie auch an meinem gut zu erkennen war. Trotz des deutlich japanischen Nachnamens war mein Vorname alles andere als japanisch. Als Joyce fragte, wie es in Irland so war, hörte ich aufmerksam zu, auch wenn ich ausreichende Erzählungen darüber kannte.

Wie kam es eigentlich dazu, dass ich als Einziger groß von mir erzählte? Das war ein wenig merkwürdig. Nun, vielleicht nahmen sie einfach die Gelegenheit wahr, sich mit mir zu unterhalten. Sonst war ich ja doch eher schweigsam gewesen.
"Diese Insel erinnert mich ein wenig an meine Heimat. Irland weist viel Natur auf, aber es gibt auch einiges an Burgen." Optisch gesehen hatte sich die Landschaft kaum verändert. "Aber es ist nicht so warm wie hier. Weniger sonnig." Was wohl der entscheidende Unterschied war. Die eher bewölkten und bedeckten Tage waren mir eindeutig lieber gewesen, aus offensichtlichen Gründen.
Nachdenklich wandte ich den Blick in den Himmel, aber gerade war dort nichts zu sehen. Das wunderte mich ein wenig, immerhin sollten hier doch rund 30 Drachen leben. Wo waren die denn alle? War die Insel doch größer als gedacht?
"Ich glaube, man muss sich die Länder selbst ansehen, um wirklich ein Bild von ihnen zu bekommen." Denn sonderlich viel erzählen konnte ich nicht, was irgendwie spannend sein könnte. Es würde sich dann eher wie aus einem Reiseführer anhören.

Bisher hatte mein Leben daraus bestanden, brav zu lernen und meinen Eltern, so weit wie es zumindest möglich war, keine Schande zu sein. Oh, und ihnen fern zu bleiben. Dabei war es etwas zu kurz gekommen, mehr über die Welt zu lernen, Länder zu sehen und die Welt außerhalb von Büchern kennenzulernen. Aufmerksam hörte ich ihm also zu, nachdem Euan bestätigt hatte, dass es Aidens Dialekt gewesen war, der ihn zu diesem Schluss gebracht hatte, während er über Irland erzählte. Es hörte sich schön an und ein bisschen davon, was ich schon einmal über dieses Land gehört hatte. Er hatte durchaus recht, man musste die Länder einfach selbst besuchen, um sich wirklich ein Bild davon zu machen. "Das stimmt schon...", gab ich ehrlich zu und kratzte mich leicht am Kopf, "ich hatte bisher nur leider nicht so die Möglichkeit dazu, wirklich etwas von der Welt zu sehen."

Verstehend nickte ich auf Aidens Erzählungen hin. So ähnlich hatte meine Mutter auch immer von ihrer Heimat erzählt. Wobei es geschwärmt wohl eher treffen würde. "Ja, Irland soll wirklich schön sein. Ich hatte mir eigentlich vorgenommen, irgendwann einmal nach Irland zu reisen und obwohl ich einige Zeit lang in Europa unterwegs gewesen war, hat es mich nicht nach Irland verschlagen", erzählte ich daraufhin. Ich wäre wirklich gerne einmal nach Irland gereist, aber die Wettkämpfe, das Training und die Sponsoren hatten es schlussendlich nicht zugelassen. Weiter als nach England war ich nicht gekommen. Aber vielleicht würde sich irgendwann noch einmal die Möglichkeit ergeben. Bei der Aussage, dass man die Länder selbst sehen musste, um sich ein Bild von diesen machen zu können, nickte ich erneut verstehend. Das konnte ich nur zu gut nachvollziehen. Bei Joyce' Worten wandte ich meinen Kopf zu dem größeren Jungen hinauf. "Was hast du dann bisher so getrieben?", wollte ich von Joyce wissen, was auch eine indirekte Frage nach seiner Herkunft war. Aidens hatte ich an seinem Dialekt zwar erkennen können, aber nur weil ich diesen von meiner Mutter her so gut kannte, aber auch wenn mir der Akzent Joyce' durchaus bekannt vorkam, so hatte ich diesen noch nicht ganz zuordnen können. Auf jeden Fall auch aus europäischer Richtung, da war ich mir sicher. "Oh, das da vorne, muss die Abzweigung sein, von der Mr. Morgan gesprochen hatte", bemerkte ich dann und schlug den Weg nach Osten ein. Bald dürften wir wohl angekommen sein.

Joyce und Euan zeigten ehrliches Interesse an meinem Angebot, was ich ziemlich cool fand. Einige Leute mochten keinen Football, das fand ich okay. Aber wer es nicht mal versuchte und einfach beschloss meinen Sport zu hassen, war bei mir unten durch. Aber die Jungs aus meinem Haus waren halt cool! Vielleicht wurden wir deswegen zusammen eingeteilt?

Wir waren in der Eingangshalle auf andere Schüler getroffen, wovon ich Juniper schon gekannt hatte. Sie wollte noch auf jemanden, wie sich rausstellte Joyces Schwester warten, warten. Der weiße, also wirklich weiße, Junge hatte offenbar auf Euan gewartet und schloss sich unserer Mission den kleinen Drachen, welcher immer noch ziemlich vorlaut war, in Nest zurückzubringen. Da ich mir seinen Namen nicht gemerkt hatte, war ich froh als Euan ihn als Aiden ansprach.
Auf dem Weg nach draußen erklärte Aiden mehr über seine Hautfarbe, die auf angeborenem Albinismus beruhte. Bisher hatte ich von sowas nur bei Tieren mitbekommen, doch die Erklärung machte es verständlicher. Trotzdem fand ich es lustig, dass er einen Sonnenschirm benutzte. Was er wohl bei mehr Wind macht? Auch dem kurzen Bericht über sein Heimatland Irland lauschte ich, während ich Acillino beobachtete. Der Baby-Drache war tatsächlich dabei einzuschlafen als sich das das Gespräch sich Joyce zuwandte.

Das Gespräch verlagerte sich ein wenig und ich war froh darüber. Dass Euan japanische Wurzeln hatte war recht offensichtlich, sowohl in der Sprache als auch im Nachnamen. Und auch einige Gesichtszüge hatten diese asiatische Note. In der Hinsicht brauchte man wohl eher weniger fragen. Joyce war ne ganz andere Sache. Er schien europäische Wurzeln zu haben, aber mehr konnte ich nicht sagen. Daher musterte ich ihn kurz, wurde aber dann erneut von Euan abgelenkt. Er schien zu wissen, wo wir lang mussten, denn nun nahmen wir eine Abzweigung nach Osten. Wären wir weiter geradeaus gelaufen, hätte man gleich das Dorf sehen können. So kamen wir allerdings einen recht breiten Weg entlang, welcher scheinbar häufig genutzt wurde. Eigentlich kein Wunder, immerhin wurde unser Ziel 'Drachennest' genannt. Vielleicht schliefen die Drachen dort auch.
Acilino selbst war nun wohl doch gänzlich eingeschlafen, denn seine Flanken hoben sich in einem ruhigen Rhythmus. "Wird der nicht langsam schwer?" Fragte ich eher nebenbei. Immerhin trug Euan ihn schon die ganze Zeit über und der Kleine musste doch auch einiges an Gewicht aufweisen.

Euan erzählte schließlich, dass er auf Reisen in Europa gewesen war, es ihn aber noch nicht nach Irland verschlagen hatte. Verstehen nickte ich. "Wo warst du denn schon alles in Europa?", fragte ich zurück. Ich war ein wenig neidisch auf diejenigen, die die Möglichkeit gehabt hätten, zu reisen und mehr von dieser Welt zu sehen. Allerdings schwenkte das Gespräch schon bald auf mich und ich kratzte mich etwas verlegen am Kopf, leider war ich bei weitem nicht so interessant oder hatte irgendwas interessantes gemacht, das sonderlich Erzählenswert war.
"Nun also, ich hab leider nichts so interessantes zu erzählen. Ich hab meine Zeit mit meiner Schwester auf einem Internat in Frankreich verbracht", antwortete ich dann allerdings vollkommen ehrlich, "unsere Eltern hielten es für das Beste... Aber die Welt lässt sich eben nicht aus Büchern lernen." Leicht zuckte ich mit den Schultern. Bei dem Wort Eltern schwang etwas in meiner Stimme mit, an dem man leicht merkte, dass unsere Eltern und ich auf Kriegsfuß waren. Dabei ließ ich komplett das mit meiner Kleptomanie unter den Tisch fallen. Das... Könnte ich sicher auch später noch ansprechen, wenn es nötig wurde.
Wie Aiden mich kurz gemustert hatte, war mir dabei nicht entgangen, ich lächelte ihn, und dann auch Daniel kurz an, während wir nach Osten abbogen. Aiden wandte sich schließlich erneut an Euan, ob Acilino nicht langsam schwer wurde, fragend sah ich den Angesprochenen an.

"Nun, hauptsächlich in Deutschland, Frankreich und England. Aber auch in anderen Ländern bin ich herumgekommen", erzählte ich, immerhin war das Ganze ja noch gar nicht lange her, weshalb ich auch nicht lange überlegen hatte müssen. "In Asien und Amerika bin ich auch schon gewesen", fügte ich dann noch hinzu. Es war schon wirklich eine Erfahrung gewesen, in diesen Ländern gewesen zu sein. Für Sightseeing war nicht immer ausreichend Zeit gewesen, weshalb ich mich immer mal gerne unbemerkt verzogen hatte. So hatte ich dann zumindest etwas von den Orten sehen können. "Ew, ein Internat... Das wäre für mich ja gar nichts gewesen", kommentierte ich dann schließlich Joyce' Worte. Aber begeistert hörte er sich auch nicht an. Aber ich war auch keineswegs akademischer Natur und ein Internat wäre alleine schon für mich nichts gewesen, weil ich die Regeln dann wohl alle in kleine Stücke geschlagen hätte. Hoffentlich wird das hier nicht so streng... "Nein, eigentlich nicht. Das geht schon", schüttelte ich meinen Kopf auf die Frage Aidens hin. "Einiges an Gewicht hat er schon, aber das ist kein Problem. Ich seh vielleicht nicht so aus, aber ich bin ziemlich stark. Und der Kleine hat sein Gewicht auch ziemlich angenehm verteilt." Lange dürfte es vermutlich eh nicht mehr dauern. Zwar machte sich meine linke Schulter wieder etwas bemerkbar, weil ich sie nun schon eine ganze Weile in derselben Position hielt, aber ich trug Acilino ja überwiegend auf dem rechten Arm. Deshalb ging das schon ohne großartige Probleme noch.

Wir nährten uns immer weiter einer Bergflanke, wie ich nebenbei feststellte. Ein paar Bäume versperrten die Sicht auf den Fuß des Berges, aber es würde mich nicht wundern, wenn es dort irgendwo eine Höhle gab. Ein Drachennest stellte ich mir eher wie etwas vor, was gegraben wurde und eher weniger wie ein Vogelnest. Besonders, wenn dort viele Drachen lebten.
Zwar lag ein Teil meiner Aufmerksamkeit auf dem Weg, ein anderer bei dem Gespräch. Euan schien mit Acilino gut zurecht zu kommen, trotzdem war es besser gewesen, nachzufragen. Daher nahm ich seine Aussage mit einem knappen Nicken hin.
"In Frankreich war ich auch mal." Und in so ein paar anderen Ländern. "Ist ganz nett dort, ich mag die Sprache." Es war ein knapper Beitrag zur Konservation, aber immerhin etwas. Ganz stumm bleiben konnte ich wohl kaum, wo ich zuvor so bereitwillig über mich erzählt hatte. Auch wenn ich nicht aufzählen könnte, wo ich schon überall war.

Wir bogen wie von Mr. Morgan beschrieben auf einen Pfad nach Osten ab. Joyce beantwortete Euans Frage, aber sein Ton ließ ahnen, dass er nicht unbedingt zufrieden mit seinen Eltern oder dem ausgesuchten Internat gewesen war. Also ließ ich es lieber unerwähnt, dass er und seine Schwester sich hier in eine ziemlich ähnliche Situation begeben hatten. Aber immerhin sind sie freiwillig hier. Stattdessen versuchte ich sein Lächeln, so aufmunternd wie möglich, zu erwidern als Joy uns der Reihe nach ansah.

Die anderen schienen schon ganz schön herumgekommen zu sein. Ich auch, aber nur in den Staaten. Euan hatte sie immerhin besucht. Trotzdem war ich etwas erleichtert, dass sich das Thema über den kleinen Drachen und zu unserem Ziel bewegte. Tatsächlich hatte ich kaum beim Gespräch mit den anderen Schülern nicht bemerkt, dass wir uns schon ein ganzes Stück vom Schloss entfernt hatten. Dafür öffnete sich ein neuer Blick als wir eine Hügelkuppe erreichten.

-> nähert sich dem Drachennest

Aufmerksam hörte ich Euan zu, während er mir antwortete. Es waren hauptsächlich "nur" drei Länder gewesen, aber mehr als ich mir je träumen konnte. "Das hört sich interessant an. Was hat dich denn dahin verschlagen?", wollte ich dann neugierig wissen. Allerdings räumte er schon bald ein, dass Internat nichts für ihn gewesen wäre, was mich leicht auflachen ließ. Das war bei mir nicht anders gewesen. Internat war auch nichts für mich, absolut nicht. " Glaub mir, für mich auch nicht... Ich will nie wieder dorthin zurück", gab ich dann ehrlich zu, "Aber es war der beste Weg für unsere Eltern, uns los zu werden, also halt Internat. Und wehe, man macht dem großartigen Familienimage keine Ehre bringt..." Das war auch der Grund, warum ich mich den Erwartungen gebeugt und diese erfüllt hatte. Allerdings verstummte ich und senkte den Blick, als mir auffiel, dass ich vielleicht zu viel gesagt hatte.
Grob betrachtet war das hier auch wie ein Internat, doch es machte mir nicht wirklich etwas aus. Es war neu. Spannend. Und diese Chance hier blieb vielen verwehrt. Davon abgesehen hatten wir selbst die Entscheidung treffen können. Es war für uns unsere Entscheidung gewesen, der Einladung nachzukommen. Ein Grinsen legte sich auf meine Lippen, während ich Aiden zuhörte. "Das stimmt, es ist wirklich nett dort. Die Sprache ist interessant", stimmte ich zu. Euan beantwortete auch Aidens Frage, da es ihm wohl nicht zu schwer wurde, war es wohl kein Problem, dass er den Kleinen weiterhin trug. Daniel war ziemlich ruhig, allerdings erreichten wir schon bald die Hügelkuppe, die uns einen komplett neuen Ausblick gab. Ich hielt inne, um diesen einen Moment anzusehen.

=> [Zentral] Drachennest

"Der Kampfsport", lautete meine doch erst knappe Antwort Joyce gegenüber, aus welchem Grund es mich nach Europa und andere Länder verschlagen hatte. Aber erzählte ich gerne mehr darüber. "Ich hab an Wettkämpfen überall teilgenommen. Da kommt man ganz schön rum, weißt du? Und auch 'ne ganze Menge gewonnen." Jetzt hörte ich mich vermutlich etwas angeberisch an, doch war mir das einerseits recht egal und andererseits entsprach es ja auch der Wahrheit. Es war ja wohl noch erlaubt, auf seine Talente stolz zu sein. Bei Joyce' weiteren Erzählungen über seine Zeit im Internat horchte ich dann wieder auf. Wie zuvor klang er nicht gerade begeistert und der Grund dafür war wohl gerade ersichtlich geworden. Der muss ja in einer wirklich strengen Familie aufgewachsen sein... Ein wenig verstand ich sein Problem allerdings, mein Vater war auch immer sehr streng gewesen und es war ihm wichtig gewesen, dass auch ich die "Familientradition" erlernte und fort führte. Zwischen Joyce und mir schien es aber einen gewaltigen Unterschied zu geben. "Und? Das ist doch jetzt vorbei. Bringt ja nichts, noch weiter darüber zu jammern", meinte ich daraufhin bloß. Es war nicht mitfühlend gemeint und meine Worte mussten in seinen Ohren harsch klingen, doch war das meine Art zu sagen: "Kopf hoch und weiter!" Was brachte es einem schon, über etwas Trübsal zu blasen, was eh nicht mehr zu ändern war. Meine Gedanken wanderten aber schließlich weiter, als wir eine Hügelkuppe erreichten und ich - nicht schon zum ersten Mal heute - nicht schlecht staunte bei dem, was sich mir bot.

(Euan -> Drachennest)

Aus diesem Gespräch lernte man erstaunlicherweise ziemlich viel über die anderen. Joyce, der Franzose, war also ein typisches Internatskind. Davon hatte ich öfters gelesen, denn es gab erstaunlich viele Bücher, in denen der Protagonist eine solche Schulform besuchte. Aber scheinbar war es kein angenehmer Ort gewesen. Kein Wunder, so wie er von seinen Eltern sprach, hatten sie eine Eliteschule ausgesucht. Das war nicht für Jeden was. Allerdings war es auch recht ersichtlich, dass es für ihn kein angenehmes Thema war.
Euan schien dagegen schien angenehmere Vergangenheit gehabt zu haben. "Welcher Kampfsport? Kickboxen?" Es war tatsächliches Interesse, immerhin sah man ihm nicht an, was genau er machte. Wobei, Boxen schloss ich aus, dazu war er eindeutig zu klein. Die waren dann doch für gewöhnlich etwas größer.
Kurz kam auch noch mal die Sprache aufs Französische und ich überlegte einen Moment, um auch die richtigen Worte zu finden. "Deshalb habe ich auch Französisch gelernt. Die Sprache hat interessante Aspekte." Wie zum Beispiel die Bezugspronomen.
Doch der Blick, der sich uns nun bot, kam tatsächlich ziemlich unerwartet und unterband wahrscheinlich alle Gesprächsthemen. Das... waren doch ein paar mehr Drachen.

-> Drachennest

->kommt mit den Schüler Joyce, Euan, Daniel und Aiden vom Drachennest


Nur ab und an warf ich beim Laufen einen Blick unter meinen Bauch, blieb dafür sogar extra stehen, damit die Menschen hinterher kommen konnten. Immerhin musste ich alle vier zum Schloss bringen.
Ansonsten blieb mein Kopf erhoben und ich beobachtete den Himmel. Er blieb frei, allerdings konnte ich in der Ferne ein donnerndes Brüllen hören. Das war Fafnir, daran bestand kein Zweifel. Also nahm sich dieser den oder die Angreifer vor, sehr gut. Fafnir konnte das regeln, auch wenn ich ihm gerne zur Seite gestanden hätte.
Trotzdem blieb ich vorsichtig. Bei einem Rudel konnte man nie wissen und wenn sich so ein kleiner, schneller Drache hierher verlor, wären sie Menschen tatsächlich in Gefahr. Nicht alle Wildlinge wussten, dass man Menschen nicht fraß. Die würden sicherlich nicht schmecken.
"Sobald ich euch zurück gebracht habe, werde ich nachsehen, was da los ist." Es war eigentlich nicht mal richtig an die Menschen gerichtet, aber so wussten sie immerhin bescheid und würden nicht trödeln. Hoffte ich zumindest. Ich wollte wirklich keinen von ihnen Suchen müssen. Die übersah man einfach so überaus schnell.


-> nimmt die Schüler Joyce, Euan, Daniel und Aiden mit zum Schlossvorhof

(mit Ryuu vom Dorf: Marktplatz)

Innerlich erleichtert drückte ich meine Klauen in die weiche Erde neben dem Weg. Hier war es bei weitem angenehmer zu laufen, als auf den festen Untergründen. "Von den halbwilden Drachen und ihren Patrouillen solltest du dich anfangs möglichst fern halten. Besonders von Onyxia", fuhr ich fort zu erzählen und sprach dabei recht langsam. Zum einen, damit er verstand, wie ernst es war, und zum anderen dürfte es wohl ziemlich anstrengend sein, mir zu folgen. Immerhin joggte er schon die ganze Zeit. Mit etwas Glück würde er bald müde werden und seine ganze Energie nur noch aufs Laufen konzentrieren müssen.

Aus den Augenwinkeln behielt ich Ryuu im Auge und bekam so auch mit, dass er ständig zu mir hinauf sah. Ob er versuchte, Fragen zurück zu halten? Oder lag ihm eine im Sinn, deren Antwort er fürchtete? "Jeder wilde Drache ist eine Gefahr für Menschen. Aber Onyxia ist ein Kytari, sie.. mh.. mag keine Männchen", beantwortete ich seine Frage so gewissenhaft wie möglich und lehnte meinen Kopf so weit zur Seite, dass ich ihn ansehen konnte, als seine nächste Frage kam. Die Ironie hatte ich bemerkt, dennoch reagierte ich mit Stehenbleiben. So konnte er aufholen und ich konnte über sein Gesagtes nachdenken. Weit kam ich jedoch nicht, da plapperte er auch schon wieder weiter. "Flügel", korrigierte ich ihn automatisch und hob eben jene für einen Moment an, bevor ich sie wieder anlegte und langsam weiter ging.

Langsam schien der Junge an seine Grenzen zu kommen und ich begann, meine Schritte bedachter zu setzen. Auch würde ich ab sofort wieder bei jedem Schritt stehen bleiben. Immerhin hatten wir gerade mal die Hälfte des Weges hinter uns und mussten noch einen Berg halb umrunden. "Die Menschen haben meine Rasse 'Weißer Goldkönig' genannt", erklärte ich geduldig und reckte dann meinen Kopf etwas, als er nach dem Schloss fragte. "Das weiß ich nicht", sagte ich dann nach einem langen Schweigen. "Aber ja, das ist ein Schloss. Dort wirst du vorerst wohnen." So begeistert, wie er von uns Drachen war, ging ich nicht davon, dass er die Ausbildung wieder abbrechen würde. Als das Schloss hinter dem Berg verschwand, schwang mein Schwanz aufgeregt hin und her. Hyperion war nicht wieder weg geflogen. Ob noch andere Drachen da waren, die ihn beschäftigt hielten? Oder begleitete er gerade Mayari? Ein kleiner Stich breitete sich in meiner Brust aus und, während ich gerade mal wieder auf Ryuu wartete, strich ich mir mit einer Klaue über die Stelle.